Nach fast 27 Jahren habe ich am vergangenen Freitag meine Abschlussrede vor dem Deutschen Bundestag gehalten. Eröffnet habe ich den Tagesordnungspunkt "Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung von Resolution 1325 zu Frauen, Frieden, Sicherheit des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen". Lesen Sie hier meine Rede.
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben eben, glaube ich, eine begeisternde Sprachreise erlebt. Jetzt darf ich Sie zu einem anderen, einem außenpolitischen Thema mitnehmen. Die globale Studie der Vereinten Nationen über die Umsetzung der Resolution 1325 kommt zu einem eindeutigen Fazit: Je größer der Einfluss von Frauen auf einen Friedensprozess ist, desto nachhaltiger ist der Frieden. Ich finde, das darf uns hoffnungsvoll stimmen. Frauen sind Trägerinnen politischer Prozesse, sie sind Motor einer nachhaltigen Entwicklung, vorausgesetzt, sie haben die Möglichkeit, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Ich will ein Beispiel aus der jüngsten Zeit dafür bringen.
Der kolumbianische Friedensvertrag ist weltweit der erste Friedensvertrag, der die Rechte von Frauen prominent integriert. Zahlreiche Frauenorganisationen waren an der Entstehung dieses Friedensvertrags beteiligt. Expertinnen und Experten wurden zum Thema sexuelle Gewalt angehört. Vor allen Dingen wurden entsprechende Folgerungen gezogen. Man kann zu diesem Friedensvertrag sagen: Das ist ein historischer Erfolg gewesen.
Der Grund, warum ich von einem historischen Erfolg spreche, liegt darin, dass bisher nur jede 25. Unterschrift unter einem Friedensvertrag von einer Frau geleistet wurde. Zwischen 1992 und 2011 waren nur 9 Prozent der Verhandelnden in offiziellen Friedensprozessen Frauen. Das ist ein ernüchterndes Ergebnis. Auch 17 Jahre nach Verabschiedung der grundlegenden Resolution 1325 sind wir noch weit davon entfernt, dass Frauen weltweit gleichberechtigt am Erhalt von Frieden und Sicherheit mitwirken. Damit bleibt ein großes Potenzial ungenutzt. Das heißt, es ist uns ein Ansporn, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, um die Rechte von Frauen auch weltweit durchzusetzen; denn Frauenrechte sind Menschenrechte.
Für die Bundesregierung heißt das ganz klar: Wir werden uns weiter mit allem Nachdruck für den verbesserten Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten engagieren. Wir werden uns weiterhin auf allen Ebenen für die verstärkte Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen einsetzen.
Was ist nun neu an diesem zweiten Aktionsplan? Wir haben dem Austausch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen einen hohen Stellenwert gegeben; denn diese zivilgesellschaftlichen Organisationen und gerade die Frauen, die sich dort mit ihrer Expertise und ihren Partnernetzwerken einsetzen, leisten einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ in Deutschland und weltweit. Dafür möchte ich allen einen sehr herzlichen Dank sagen.
Der Umsetzungsbericht zum ersten Aktionsplan für den Zeitraum 2013 bis 2016 zeigt: Die Bundesregierung hat erhebliche Ressourcen für den Schutz und die Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen in Krisen und Konflikten eingesetzt.
Ich will hier ein Beispiel für Deutschland bringen. Wir schulen Personal von Polizei und Bundeswehr und aus dem zivilen Bereich, das für Einsätze in Krisengebieten vorgesehen ist. Das ist eine neue Weichenstellung.
Wir setzen uns dafür ein, den Frauenanteil in internationalen Organisationen zu stärken. Ein für mich sehr begeisterndes Beispiel ist auch das African Women Leaders Network. Von deutscher Seite aus unterstützen wir ein Projekt von UN Women in Kooperation mit der Afrikanischen Union. Dabei geht es darum, ein Netzwerk politisch aktiver afrikanischer Frauen in Führungspositionen aufzubauen. Warum tun wir das? Das Ziel ist, dass Frauen stärker an nationalen Wahlprozessen teilhaben. Denn wir sind davon überzeugt, dass dies den gesellschaftlichen Prozess voranbringt. Ich glaube, man kann solche Ansätze mit Fug und Recht als richtungsweisend bezeichnen. Wir wollen sie weiter ausbauen.
Die Umsetzung der Resolution 1325 ist auch ganz im Sinne der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Das sagt sich aus heutiger Sicht so leicht daher. Ich selbst habe die Verhandlungen in New York führen können. Es war ein harter Kampf, ein Ziel durchzusetzen, von dem ich überzeugt war, dass es heute selbstverständlich sein wird, nämlich Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für Frauen und Mädchen als eigenes SDG-Ziel zu verankern. Hier war es extrem hilfreich, dass sich die vielen Frauenorganisationen eingebracht haben. Wir wussten alle ganz genau: Jetzt gilt es, jetzt müssen wir Farbe bekennen, und jetzt müssen wir unsere Netzwerke nutzen. Denn zwischen Geschlechtergleichstellung, dem Schutz der Menschenrechte, nachhaltiger Entwicklung und der Wahrung von Frieden und Sicherheit – darum ging es – besteht ein ganz enger Zusammenhang. Ich glaube, das muss in die Köpfe gebracht werden. Das Bewusstsein dafür muss geschärft werden. Deshalb war die Verankerung bei den SDGs so wichtig.
Dazu gehört auch, dass wir der sexuellen Gewalt in bewaffneten Konflikten wirklich Einhalt gebieten. Denn immer wieder benutzen Konfliktparteien und Terrorgruppen – ich erinnere hier an den „Islamischen Staat“ und an Boko Haram – Vergewaltigungen und Zwangsverheiratungen gezielt als Mittel der Kriegsführung. Wir haben den Aufschrei erlebt – es gab ihn zu Recht –, als die abscheulichen Verbrechen an den Jesidinnen und den nigerianischen Schülerinnen geschahen. Sie haben die Welt aufgerüttelt. Doch es darf nicht bei dem Aufruf „Bring back our girls“ bleiben. Die meisten dieser grausamen Taten bleiben ungesühnt, die Täter ungestraft. Das können wir nicht länger hinnehmen. Die Täter müssen für schwerste Menschenrechtsverletzungen und für mutmaßliche Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Dafür werden wir uns einsetzen.
Der Schutz von Mädchen und Frauen sowie die Stärkung der Rechte von Frauen lassen uns nicht ruhen. Unsere Erfahrungen wollen wir weltweit mit anderen Frauen teilen. Wir wollen sie ermutigen und befähigen, sich aktiv einzubringen und Verantwortung beim Schaffen von Frieden, beim Wiederaufbau und bei der gleichberechtigten Mitgestaltung der Gesellschaft – auch nach Beendigung von Konflikten – zu übernehmen. Dass Frauen, wenn sie sich vernetzen, viel bewegen und Dinge zum Positiven verändern können, habe ich persönlich hier und weltweit immer wieder erfahren. Ich habe das auch gerne mit vorangebracht.
Nach 27 Jahren im Deutschen Bundestag ist das heute meine letzte Rede. Ich erinnere mich an meine erste Bundestagsrede. Sie fand auch an einem Freitag vor einem Feiertagswochenende statt. Damals ging es um die Lebenssituation von Frauen in Deutschland. Heute geht es um die Lebenssituation und die Rechte von Frauen weltweit. In diesen 27 Jahren – das können wir, glaube ich, alle festhalten – hat sich für Frauen in unserem Land viel verändert. Es muss sich aber noch weltweit viel für Frauen verändern. Sich dafür einzusetzen, dazu möchte ich Sie alle ermutigen.
Ich habe gerne und mit Leidenschaft für die Rechte der Frauen, aber auch für unsere politischen Ziele hier gekämpft. Ich gestehe Ihnen: Ich werde zeitlebens mit Leib und Seele Bundestagsabgeordnete bleiben, auch wenn ich diesem Hohen Hause nicht mehr angehöre.
Ich bin wirklich dankbar für die vielfältigen Aufgaben und Funktionen, die ich wahrnehmen durfte. Damit habe ich die Chance erhalten, Politik zu gestalten und etwas zu bewegen. Dazu gehörte, so manches Mal heftig zu streiten. Aber wir haben gelernt: Streit in der Politik hat etwas Klärendes. Schließlich geht es um die beste Lösung. Umso mehr habe ich mich gefreut, wenn wir am Ende eines Streits ein Resultat erzielt haben.
Ich habe auch gelernt, dass es sich lohnt, am Ball zu bleiben. Man erreicht manches Ergebnis nicht im ersten Anlauf. Manchmal sind mehrere Anläufe notwendig. Umso wichtiger ist dann, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, auf die man setzen kann. Was mich hier immer wieder beeindruckt hat, ist die kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit. Das, was uns über alle Partei und Fraktionsgrenzen hinweg zusammengeführt hat, ist das Eintreten für unsere Demokratie.
In diesem Sinne möchte ich allen einen sehr herzlichen Dank für die gute und freundschaftliche Zusammenarbeit sagen. Ich wünsche Ihnen allen und denen, die neu hinzukommen, allzeit eine glückliche Hand und alles Gute, wenn Sie in Zukunft Entscheidungen über die Geschicke unseres Landes treffen.
Herzlichen Dank.