Am vergangenen Wochenende trafen sich Archäologen, Denkmalschützer, Wissenschaftler aus über 20 Ländern in Berlin, um Wege für den Erhalt des Kulturgutes in Syrien“ zu erörtern. Syrer und Exilsyrer, Deutsche, Franzosen, Polen, Japaner, Russen und Amerikaner.
Was soll diese Konferenz zu einem Zeitpunkt, zu dem sich ein Friedensschluss in Syrien trotz vielfältiger politischer Bemühungen der internationalen Gemeinschaft nicht abzeichnet und die Kämpfe derzeit noch heftiger werden. Syrien ist zu einem der kompliziertesten Konfliktherde unserer Zeit geworden. Was kann und soll Kultur hier leisten?
Es wäre falsch die Hände in den Schoß zu legen und auf das Ende der Kämpfe zu warten. Die Zerstörung von Welterbe ist ein Kriegsverbrechen und muss verfolgt werden. Diese Strafandrohung schwebt über den Tätern. Gleichzeitig müssen wir die Anstrengungen verstärken, den Handel mit illegalen Kulturgütern einzuschränken und damit auch die Finanzierung von Terroristen auszutrocknen. Drittens aber müssen wir – wie mit der Berliner Konferenz – die kulturelle Identität der Menschen in Syrien und damit das Fundament für einen territorial einheitlichen Staat Syrien stärken. Die syrische Kultur und die syrische Bevölkerung brauchen Signale, dass die gemeinsame Kultur und Identität identitätsstiftend wirkt. Diese syrische Identität ist auch die Voraussetzung für eine politische Lösung, auch wenn wir nicht wissen, wann wir sie erreichen. Sie ist für die Zukunft des Landes unverzichtbar.
Die Konferenz hat gezeigt, dass Verständigung möglich ist. Wir sind ein Risiko eingegangen, aber wir wurden bestätigt. Experten aus Syrien und viele Exilsyrer haben miteinander gesprochen und sich verstanden. Ein Dialog ist möglich, ein gemeinsamer Geist der Verantwortung hat sich herausgebildet. Als ein syrischer Teilnehmer einen Landsmann fragt, zu welcher Gruppe er gehöre, war die Antwort: zu Syrien. Dieser Geist hat sich durchgesetzt.
Die Konferenz war auch ein Signal der Stärke der UNESCO. Kultur ist relevant für die Politik und auch für die Sicherheit. Deutschland war eine Kulturnation bevor es Staatsnation wurde. Polen war über 100 Jahre als Staat verschwunden und überlebte als Kulturnation. Die UNESCO ist der überparteiliche internationale Rahmen, der diese Kräfte bündeln kann. Unter ihrem Dach können sich ein Konsens und eine globale Koalition der Kultur herausbilden. Zwischen Vertretern aus Syrien und dem Exil, zwischen Vertretern aus den USA und Russland.
Warum war Berlin der ideale Austragungsort? Die Erwartungen an Deutschland und seine internationale Verantwortung sind gestiegen. Das betrifft den militärischen und den politischen Bereich. Wir engagieren uns wie nie zuvor und müssen aber auch lernen, dass einige Konflikte nur sehr langfristig lösbar sind. Mir ist es ein Anliegen, dass wir Verantwortung auch im Bereich der Kultur übernehmen, institutionell gesprochen im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Die UNESCO ist dabei der „global player“. Kulturpolitik ist Teil der Außenpolitik und sie ist nirgendwo dringender nötig, als in existentiellen Krisensituationen.
Deutschland verfügt über weltweit einzigartig anerkannte Institutionen wie das Deutsche Archäologische Institut, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder den DAAD mit einem schier unerschöpflichem Netzwerk persönlicher Beziehungen. In Syrien und darüber hinaus verfügen sie über jahrzehntelange Erfahrungen und einzigartige Kenntnisse. Man traut ihnen. Nur mit ihnen war es möglich, diese große Zahl von Expertinnen und Experten in Berlin zu versammeln.
Erst im April wurde mit dem Archeological Heritage Network eine Plattform gegründet, die in Deutschland vorhandenes Fachwissen von über 20 Institutionen gebündelt und auch der internationalen Gemeinschaft zugänglich gemacht hat. Am Rande der Konferenz wurde ein Memorandum of Understanding zwischen der UNESCO und dem Deutschen Archäologischen Institut zur Kooperation beim Schutz und Erhalt des kulturellen und archäologischen Erbes unterzeichnet. Gemeinsam wollen sie in Notsituationen schnell und unbürokratisch Hilfestellung leisten.
Mit dem positiven Signal dieser Berliner Syrien-Konferenz werden die kulturellen Fundamente einer Nachkriegsordnung gelegt. Gerade in Berlin wird deutlich, dass Kriegszerstörungen erst nach Jahrzehnten behoben oder Lücken geschlossen werden können. Eine Herkulesaufgabe wird früher oder später auch in Syrien zu bewältigen sein. Sie braucht ein sicheres Fundament.
Maria Böhmer
Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Sonderbeauftragte für UNESCO-Welterbe