Seit heute wird das EU-Türkei-Abkommen umgesetzt: Illegal eingereiste Flüchtlinge werden aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt. Im Gegenzug nimmt die EU syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Türkei auf. In Deutschland sind die ersten Flüchtlinge angekommen: 32 Syrer trafen in Hannover ein.
Griechenland hat 202 illegal auf die griechischen Inseln eingereiste Flüchtlinge zurückgeführt. Gleichzeitig sind am Montag (4. April) die ersten syrischen Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland eingetroffen. Damit wird die EU-Türkei-Vereinbarung vom 18. März umgesetzt.
Die meisten Flüchtlinge kommen über die Türkei nach Europa. Daher ist die Türkei ein wichtiger Partner, um die Flüchtlingssituation zu lösen. Ziel der EU-Türkei-Vereinbarung ist es, dem Schlepperunwesen den Boden zu entziehen, aber auch das Partnerland zu entlasten und die gemeinsamen Beziehungen zu vertiefen.
Flüchtlinge, die in Griechenland eintreffen (Stichtag 20. März), werden ab sofort in die Türkei zurückgebracht. Für jeden illegal in Griechenland angekommenen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, nimmt die EU einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling auf. Dieses sogenannte "Resettlement-Verfahren" wird deshalb auch als 1:1-Mechanismus bezeichnet.
Deutschland wird 1.600 Flüchtlinge aufnehmen. Das ist der deutsche Anteil an der Rückführungsrichtlinie, die die EU im letzten Juli vereinbart hatte. Auch andere EU-Staaten erwarten jetzt erste syrische Flüchtlinge aus der Türkei.
Erste syrische Familien in Hannover gelandet
Die ersten 32 syrischen Flüchtlinge sind nun legal nach Deutschland eingereist. Es handelt sich um Familien mit Kindern, wie der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Tobias Plate, am Montag mitteilte. Eines der wichtigsten Aufnahmekriterien ist es, die Einheit der Familie der Geflüchteten zu wahren. Aber auch der Grad der Schutzbedürftigkeit und die Integrationsfähigkeit spielen eine entscheidende Rolle. Weitere Faktoren sind etwa Sprachkenntnisse oder Schul- und Berufsausbildung.
Die Aufnahmevorschläge gehen von den türkischen Migrationsbehörden an das Flüchtlingswerk der UN - den UNHCR, der sie überprüft. Erst nach einer Identitäts- und Sicherheitsüberprüfung wird die Einreise nach Deutschland und in die anderen EU-Mitgliedstaaten gestattet. Vor Ausreise findet eine Gesundheitsuntersuchung statt. Dabei wird insbesondere die Flugtauglichkeit überprüft.
Ist das Kontingent von 1.600 Flüchtlingen ausgeschöpft, stehen, wenn notwendig, weitere 13.500 Aufnahmeplätze innerhalb bestehender Verpflichtungen zur Verfügung. Allerdings wird damit gerechnet, dass die Zahl der illegal einreisenden Flüchtlinge schnell zurückgeht, da die Menschen keine Bleibeperspektive in der EU mehr haben.
Deutsche Personal hilft bei Umsetzung vor Ort
Deutschland hat zugesagt, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) Mitarbeiter zur Unterstützung in Griechenland zur Verfügung zu stellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat dem EASO den Einsatz von 100 Mitarbeitern in Griechenland angeboten. Vor allem Entscheider und Kräfte aus dem Asylverfahrenssekretariat. Unter ihnen werden auch Mitarbeiter mit Arabisch- und Griechisch-Kenntnissen sein.
Die ersten 30 deutschen Polizisten sind bereits in Griechenland. Bis Ende der Woche sollen alle 100 zugesagten Polizisten eingetroffen sein. THW-Präsident Broemme ist als "Sonderbeauftragter der Bundesregierung zur Umsetzung der Erklärung der Europäischen Union mit der Türkei zu Migration" vor Ort.
Keine Kompromisse bei den Recht der Flüchtlinge
Die Rückführung werde "unter voller Wahrung der Europa- wie auch völkerrechtlichen Vorgaben" ablaufen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert und verwies auf ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten am Sonntag (3. April). Darauf wies der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, bei einem Forum zur Europäischen Asyl-und Flüchtlingspolitik ebenfalls hin. "Ganz sicher wird die Türkei keinen Rabatt bei Schlüsselfragen bekommen, weder bei der Medienfreiheit noch beim Minderheitenschutz", so Schulz.
Die Vereinbarung der EU mit der Türkei vom 18. März 2016 im Überblick:
- Schleusern in der Ägäis wird die Geschäftsgrundlage entzogen und die irreguläre Migration aus der Türkei nach Europa nachhaltig reduziert.
- Alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März irregulär in Griechenland ankommen, werden zügig in die Türkei zurückgebracht.
- Im Gegenzug nimmt die EU für jeden illegal ankommenden syrischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling auf (auch 1:1: Mechanismus)
- Gemeinsam mit der EU werden die humanitären Bedingungen für Syrer verbessert. Die Türkei erhält bis 2018 sechs Milliarden Euro für konkrete Flüchtlingsprojekte – damit beispielsweise Kinder eine Schule besuchen können oder für die Gesundheitsversorgung.
- Logistische und personelle Unterstützung für Griechenland, etwa mit Dolmetschern und beim Grenzschutz, aber auch für die Versorgung etwa der Flüchtlinge in Idomeni durch das Soforthilfe-Programm.
- Ende Juni 2016 soll die Visafreiheit für die Türkei in Kraft treten, sofern die Türkei bis dahin alle erforderlichen Bedingungen erfüllt hat.
- Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei werden beschleunigt und weiterhin ergebnisoffen geführt.