Im Rahmen der Debatte um Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebolaepidemie, hielt ich am 17. Oktober 2014 eine Rede vor dem Deutschen Bundestag.
"Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebolaepidemie"
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ebola bedroht den Frieden und die Sicherheit. Das hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Mitte September festgestellt – zum ersten Mal überhaupt bezüglich einer Krankheit. Die Welt hat die Epidemie zunächst unterschätzt; ich sage: auch wir. Inzwischen hat sich das geändert. Es wird mit aller Kraft und vor allen Dingen gemeinsam gehandelt. Das ist notwendig, denn Ebola rafft Tausende Menschen dahin. Ebola ist nicht sichtbar, nicht fassbar und kaum behandelbar, leider auch noch nicht wirklich bekämpfbar.
Die Folgen der Katastrophe werden bleiben, auch wenn die eigentliche Verbreitung der Seuche endlich eingedämmt sein wird:
Ebola zerstört durch die Angst vor Ansteckung kulturelle und gesellschaftliche Traditionen, Traditionen der Nähe und der Fürsorge.
Ebola verstärkt Hunger und Armut. Märkte werden geschlossen, Bäuerinnen und Bauern können nichts mehr verkaufen und anbauen.
Ebola trifft einige der zerbrechlichsten Volkswirtschaften ins Mark. Liberia, Sierra Leone und Guinea hatten in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum gezeigt. Gerade Liberia war dabei, die Folgen des langen Bürgerkriegs endlich zu überwinden. Jetzt wird es erneut zurückgeworfen.
Leider sind von Ebola, wie so oft in solchen Fällen, die Frauen überproportional häufig betroffen, denn den Frauen obliegt in den Familien traditionell die Pflege. Sie sind daher mit einem besonderen Ansteckungsrisiko konfrontiert. Etwa zwei Drittel der Ebolainfizierten sollen Frauen sein.
Ich habe vor einer Woche die afrikanischen Botschafterinnen zu einem Gespräch getroffen. Das sind beeindruckende, starke Frauen. Wir alle, die wir an dem Gespräch teilnahmen, waren erschüttert, als die Botschafterin aus Liberia berichtete: In Liberia ist das Gesundheitswesen faktisch zusammengebrochen. Behandlungsstationen sind vollkommen überfüllt. Überall fehlen Medikamente, Schutzausrüstung, medizinisches Gerät und vor allem Ärzte und Pflegekräfte. Die zu wenigen, die da sind, sind erschöpft und überfordert, manches Mal werden sie sogar isoliert und diskriminiert.
Was mich auch umtreibt, ist die Situation der Kinder, die ihre Eltern an die Krankheit verloren haben. Sie können nicht, wie sonst gerade in Afrika üblich, in der Großfamilie aufgefangen werden. Sie müssen aus Schutz isoliert werden. Ich war tief bewegt, als während des Gesprächs mit den Afrikanerinnen die Botschafterin Botswanas ihrer Kollegin aus Liberia konkrete Hilfe anbot. Sie sagte: Wir haben in Botswana durch HIV/Aids viel Erfahrung im Umgang mit Familien ohne Eltern. Man könne doch sicher für die Ebolawaisen etwas von den Aids-Waisen lernen.
Oft wird vergessen, dass auch die Patienten leiden, die sich nicht mit Ebola infiziert haben. Denn viele Krankenhäuser sind nicht mehr in der Lage, schwere, aber eigentlich heilbare Krankheiten zu behandeln. Die Zahl der durch Malaria oder Durchfallerkrankungen bedingten Todesfälle ist deutlich gestiegen.
Um die Ebolaepidemie erfolgreich bekämpfen zu können, müssen nach Auffassung der Vereinten Nationen fünf strategische Ziele erreicht werden:
Erstens. Unterbrechung der Ansteckungskette.
Zweitens. Die Behandlung der Infizierten. Hier sage ich: Auch unterstützende Maßnahmen können die Sterblichkeit verringern.
Drittens. Die Sicherstellung einer Basisgesundheitsversorgung und der Versorgung mit Nahrungsmitteln.
Viertens. Die Aufrechterhaltung von staatlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität.
Fünftens. Die Verhinderung des Übergreifens der Ebolaepidemie auf bislang nicht betroffene Länder.
Ich möchte hier in aller Deutlichkeit hinzufügen: Um eine erneute Epidemie für die Zukunft zu verhindern, muss auch die Entwicklung eines Impfstoffs vorangetrieben werden.
Wir alle wissen, mit welchen Problemen das bei einer Krankheit, die vor allem die Ärmsten der Armen betrifft, verbunden sein kann. Aber wir sollten aus dieser Epide-mie gelernt haben, dass wir hier nicht nachlassen dürfen.
Die Ebolaepidemie kann die internationale Gemeinschaft nur gemeinsam bewältigen. Deutschland leistet hierbei einen beachtlichen Beitrag. Die Bundesregierung will insgesamt weitere 85 Millionen Euro überplanmäßig bereitstellen, davon 50 Millionen Euro noch im laufenden Haushaltsjahr. Der Haushaltsausschuss hat dazu am Mittwoch ein entsprechendes Votum abgegeben. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen einen sehr herzlichen Dank dafür aussprechen.
Zuvor waren bereits 17 Millionen Euro aus dem laufenden Haushalt zur Ebolabekämpfung eingesetzt worden. Sie wissen, mit 10 Millionen Euro wurde der Krisenplan der Weltgesundheitsorganisation unterstützt und mit knapp 7 Millionen Euro die Hilfsmaßnahmen von Nichtregierungsorganisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen und die Welthungerhilfe. Rechnet man noch den deutschen Anteil an den Hilfsmaßnahmen der Europäischen Union hinzu, so beläuft sich der Betrag nur in diesem Jahr auf rund 100 Millionen Euro.
Ich sage hier aber auch: Die finanzielle Unterstützung ist das eine, die große Hilfsbereitschaft in unserem Land das andere. Ich denke, wir alle sind über die Resonanz beeindruckt, die der Aufruf an Freiwillige gefunden hat. Das gilt für das medizinische Fachpersonal, das gilt für die vielen, vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, und das gilt ganz besonders auch für unsere Soldatinnen und Soldaten.
Die gezielte Ausbildung der Freiwilligen hat bereits begonnen. Dabei unterstützen uns renommierte Forschungsinstitute wie das Bernhard-Nocht-Institut und das Robert-Koch-Institut. Der erste Hilfsflug der Bundeswehr ging am 3. Oktober von Dakar nach Monrovia. Zentral für unsere Hilfe sind Behandlungsstationen und mobile Krankenhäuser. Dabei sind THW und DRK besonders gefragt. Eine Vorausdelegation des Deutschen Roten Kreuzes kommt heute aus Westafrika zurück. Nach dem Applaus eben möchte ich auch noch einmal im Namen der Bundesregierung allen Helferinnen und Helfern sehr herzlich danken, und ich glaube, dieses Haus teilt diesen Dank.
Wichtig für die Freiwilligen ist auch, dass sie sich darauf verlassen können, dass sie im Ansteckungsfall evakuiert werden. Die Bundesregierung wird ein Flugzeug mit einer Isolierstation, die den höchsten medizinischen Standards genügt, anmieten und ausrüsten. Denn es darf kein Zweifel bestehen: Wir sind bereit und in der Lage, an Ebola erkrankte Helferinnen und Helfer hier in Deutschland zu behandeln. Das gilt auch für diejenigen, die nicht deutscher Herkunft sind und aus dem Ausland kommen.
Der Kampf gegen Ebola wird nur gelingen, wenn er entsprechend koordiniert wird. Sie wissen, dass die Bundesregierung Botschafter Lindner zum Koordinator für die Ebolabekämpfung ernannt hat. Er ist ein afrikaerfahrener Krisenmanager. Er ist jetzt vor Ort. Ich denke, das wird hilfreich sein für alles, was es weiter einzuleiten gilt. Doch wir wissen nicht genau, ob das alles ausreichen wird.
Ich möchte deshalb der Koalition einen herzlichen Dank sagen für diesen Antrag, in dem weitere wichtige Schritte aufgezeigt werden, Schritte, die wir mit ins Auge fassen müssen. Denn wir wollen gemeinsam, Bundesregierung und Parlament, auch künftig alles daransetzen, dass im Rahmen unserer Möglichkeiten alle erforderlichen Mittel und Kapazitäten bereitgestellt werden. Wir wollen und wir müssen die Ebolaepidemie stoppen und bekämpfen.
Herzlichen Dank.