Über den internationalen Standort Bonn sprach mit der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer, Cem Akalin.
- Mit freundlicher Genehmigung durch den General-Anzeiger Bonn -
Staatsministerin Maria Böhmer über den UN-Standort Bonn. „Gute Signale“ für weitere Einrichtung
Frau Staatsministerin Böhmer, seit 1996 baut die Bundesregierung Bonn zum UN-Standort aus.Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis?
Maria Böhmer: Es heißt ja schon etwas, wenn von 26 UN-Einrichtungen, die wir in Deutschland haben, 18 in Bonn sind. Dazu kommt, dass von den drei Rio-Konventionen zwei in Bonn sind, die dritte hat in Bonn einen Ableger. Wir können also sagen: Bonn ist das Zentrum der UN in Deutschland. Und Bonn ist zweifellos zur internationalen Drehscheibe beim Thema Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung herangewachsen.
Im Vergleich zu anderen UN-Städten ist Bonn aber noch eine kleine Maus.Oder?
Böhmer: Das würde ich nicht sagen.Bonn hat sich glänzend entwickelt. Als ich noch als Bundestagsabgeordnete in Bonn war, gab es nur eine Handvoll UN-Mitarbeiter in Bonn, mittlerweile sind es rund 1000. Bonn hat sich als sehr attraktiv erwiesen.
In Wien finden jährlich rund 3000 internationale Sitzungen und Konferenzen statt, in Bonn passt die Übersicht auf ein Blatt Papier .Wird sich das ändern?
Böhmer: Wir müssen tatsächlich sehen, dass entsprechende Tagungskapazitäten vorhanden sein müssen. Wenn angefragt wird, wo internationale Konferenzen stattfinden können, müssen Tagungsmöglichkeiten vorhanden sein. Für die UN brauchen wir in der Regel Kapazitäten für mehr als 500 Personen, aber – und jetzt kommt der Ausblick ins nächste Jahr – 2015 soll das WCCB in Bonn ja arbeitsfähig sein, und die ersten beiden Konferenzen mit insgesamt rund 5000 Teilnehmern sind ja auch schon im Blick. Ich war ja gerade in Katar,…
… wo Sie gerade zur Präsidentin des Welterbekomitees der UNESCO gewählt wurden…
Böhmer: …, wo es ja auch eine Entscheidung für Bonn gegeben hat. Ich bin sehr froh, dass sich mit dem WCCB eine Perspektive für Bonn entwickelt, und da werden der Bund, das Land NRW und die Stadt Bonn sicherlich an einem Strang ziehen.
Das Welterbekomitee der UNESCO wird im kommenden Jahr mit mehr als 1500 Teilnehmern in Bonn tagen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Böhmer: Das stimmt. Ich komme heute mit der Botschaft nach Bonn, dass am 26. Juni 2015 die mehrtägige Sitzung des Welterbekomitees in Bonn beginnen wird. Bei uns im Auswärtigen Amt war einfach die Überzeugung da, dass die Tagungsmöglichkeiten in Bonn exzellent sind. Man hat Erfahrung bei der Ausrichtung internationaler Konferenzen – und das Umfeld stimmt! Wir haben etwas zu zeigen: mit dem Mittelrheintal im Süden, dem Dom in Köln und dem ersten Welterbe in greifbarer Nähe, nämlich den Dom in Aachen. Das ist eine enorme Chance, unser Land mit all seinen Facetten, Wurzeln und Zukunftsperspektiven zu präsentieren. Denn Bonn ist ja auch als Wissenschaftsstandort attraktiv.
Noch mal zum Konferenzstandort:Hat der Skandal um das WCCB dem Standort Bonn international geschadet?
Böhmer: Man sollte jetzt den Blick in die Zukunft richten. Nachdem Bonn den Betrieb der Veranstaltungsorte übernommen hat, gilt es jetzt, die Weichen entsprechend zu stellen. Und ich denke, dass das WCCB in guten Händen ist.
Sie sagten eben, Bonn habe sich zu einer Drehscheibe bei den Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Erneuerbare Energien entwickelt .Neben 1000 UN-Leuten arbeiten rund 4000 Menschen in NROs (Nichtregierungsorganisationen) an diesen Themen. Ist das nicht eine gute Grundlage, auf der sich Größeres ausbauen lässt?
Böhmer: Ich glaube, dass sich die Attraktivität der Stadt Bonn, die ja durchaus im Wettbewerb mit anderen Standorten wie Wien oder Genf steht, herumspricht. Wir wollen Bonn aber weiter stärken, weil wir sehen, dass sich internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen heute ganz anders organisieren. Deshalb ist im Auswärtigen Amt zurzeit ein „Gaststaatgesetz“ in Planung. Damit wollen wir Rahmenbedingungen schaffen, die alljenen, die sich für Bonn entscheiden, auch mehr Sicherheit gibt. Das ist ein Wettbewerbsfaktor.
Damit sind gewisse Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen verbunden, etwa in steuerlicher Hinsicht, was die Schweiz ja längst internationalen Organisationen und NGOs gewährt. Das ist ein Gesetz, das auch von Bonn aus schon einige Male angeregt wurde.
Böhmer: Richtig. Wir sind jetzt in der informellen Abstimmung mit diesem Gesetz. Wir arbeiten sehr intensiv daran, damit die Rahmenbedingungen für Ansiedlungen internationaler Organisationen auch stimmen.
Sie waren gerade in New York als Vertreterin der Bundesregierung in der Offenen Arbeitsgruppe für Nachhaltige Entwicklungsziele und haben einige Schwerpunkte für die globale Zukunft genannt. Kommt da etwas zusammen, wovon die Region profitiert?
Böhmer: Es strahlt auf jeden Fall aus. Wir haben in Bonn den UN-Schwerpunkt Klimawandel, und das spielt im Nachhaltigkeitsbereich natürlich eine große Rolle. Genauso wie die Berufliche Bildung, und ich habe mich bei den Verhandlungen sehr stark dafür gemacht, dass Bildung stärker gewichtet wird. Vor allem die Berufliche Bildung ist ein großes Thema, und wir sind mit unserer dualen Ausbildung außerordentlich erfolgreich. Das schützt uns zum Beispiel vor einer hohen Jugendarbeitslosigkeit. Und das Interesse an unserem beruflichen Bildungssystem ist im Ausland sehr groß. Ein weiterer Schwerpunkt ist das kulturelle Erbe und die kulturelle Vielfalt.
Man hört immer wieder aus der „Klimaszene“, Staaten wie die USA wollten Deutschland nicht so gerne als starkes Zentrum der Klimanachhaltigkeit sehen. Kann das ein Grund dafür gewesen sein, dass etwa das Green Climate Fund seinen Sitz in Südkorea erhielt?
Böhmer: Wir werden immer in einer Konkurrenzsituation sein. Der Schwerpunkt mit dem Klimasekretariat, das ja auch plant, einen ständigen Prozess hier in Bonn zu verankern, strahlt natürlich über Deutschland hinaus. Ich finde aber auch, dass wir durch die politischen Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Energie und den Ausstieg aus der Kernenergie besonders gefordert sind. Wir wollen ja auch unter Beweis stellen, dass wir das technische Know-how haben und zeigen, dass solch ein Umstieg zu leisten ist. Das ist ein Ehrgeiz von uns. Und wo wir hier am Wissensstandort Bonn sind: Wir sind wissenschaftlich und innovativ hervorragend aufgestellt.
Wäre es nicht sinnvoller, UN-Einrichtungen, die sich mit ökologischen Themen befassen, an einzelnen Standorten, wie in Bonn, stärker zu konzentrieren?
Böhmer: Konzentration ist das eine, aber miteinander Teilen ist das andere. Sie müssen ja auch andere mitnehmen auf solch einem Weg. Und wenn Sie alles an einem Ort verankern, dann haben Sie nicht diese Ausstrahlungswirkung.
Gibt es aktuell Projekte, die die Bundesregierung nach Bonn holen könnte?
Böhmer: Anwerbungen sind eine sehr sensible Sache. Da muss man genau abwägen, wann man darüber spricht.
Klingt jetzt spannend.
Böhmer: Wir sind aktiv, wir bemühen uns, und es gibt gute Signale. Aber es wäre verfrüht, um von konkreten Perspektiven zu sprechen.
Zur Person
Maria Böhmer, 64, (CDU) ist seit Dezember 2013 Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Davor war sie acht Jahre lang Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Seit 1990 gehört sie dem Bundestag an. Im AA ist sie vor allem für die auswärtige Kulturpolitik zuständig.