Reden

Eröffnungsrede zum Kooperationsprojekt der Lausitzer UNESCO-Stätten

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Boudon,

sehr geehrter Herr Staatsminister Günther,

sehr geehrter Herr Nowak,

sehr geehrte Gäste aus Polen,

liebe Mitglieder der UNESCO-Familie,

meine Damen und Herren,

 

ich freue mich sehr, Sie im Namen der Deutschen UNESCO-Kommission begrüßen zu dürfen. Wir eröffnen heute gemeinsam ein bemerkenswertes, innovatives Kooperationsprojekt der UNESCO-Stätten hier in der Lausitz. Die Anreise hat mir schon Einblicke in die schöne Landschaft Ihrer Region gewährt!

 

Dass ein solches Projekt genau hier zu Beginn dieses Jahres aus der Taufe gehoben wurde, verwundert mich nicht. Schließlich ist die Lausitz eine wahre Schatzkammer der UNESCO-Familie!

Das Erbe der Kulturlandschaften in den beiden UNESCO-Biosphärenreservaten – dem Spreewald und der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft – das geologische Erbe im grenzüberschreitenden UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen, das grenzüberschreitende Welterbe Muskauer Park und das immaterielle Erbe der sorbischen Kultur. Wie umfangreich und facettenreich das Erbe in der Lausitz ist!

 

Die Alte Ziegelei, in der wir heute feiern, versinnbildlicht Ihr Kooperationsprojekt „Lausitzer UNESCO-Stätten unterstützen eine nachhaltige Transformation der Lausitz“ in drei Punkten:

  • 1) Als Visitor Center im Global Geopark steht sie für die Vermittlung der UNESCO-Schätze an Besuchende und für Internationalität.

  • 2) Sie steht als restauriertes und umfunktioniertes – sozusagen transformiertes – Gebäude für Nachhaltigkeit.

  • 3) Und sie bewahrt die Geschichte und zeigt gleichzeitig ihre Anpassungsfähigkeit an aktuelle Bedarfe.

Richten wir unseren Blick als erstes auf die von Ihnen unterstützte Transformation, dann ist diese selten so greifbar wie in dieser Region.

Einst war die Braunkohle wirtschaftlicher Treiber und identitätsstiftend für einen großen Teil der Lausitzer Bevölkerung. Was früher als eine Art Motor fungierte, wird inzwischen von Vielen als Altlast betrachtet.

Der Wandel einer Region hat immer auch etwas mit dem Wandel von Gesellschaft, von Identitäten zu tun. Transformation ist also immer ein sensibler, vor allem auch kultureller Prozess.

Wir stehen an einer neuen Etappe der Industriegeschichte. Wir stehen an einem Punkt, an dem die Moderne die Grenzen und Schäden ihres Fortschrittsgedankens erkennen muss. Zielkonflikte zwischen ökonomischer Entwicklung und nachhaltiger Transformation kommen immer stärker zum Vorschein. Wenn wir jetzt die Energiewende vorantreiben, dann ist das nicht nur die Abkehr einer bestimmten Ausprägung industriellen Erbes,

sondern vor allem die Hinwendung zu einem Erbe, das der Menschheit für viel längere Zeitläufe anvertraut ist, und das in den Natur- und Kulturlandschaften der Lausitz seine Gestalt gefunden hat.

Die Lausitz hat sich auf den konsequenten Weg des Strukturwandels und der nachhaltigen Entwicklung begeben.

Diesen neuen Weg zu suchen und weiterzugehen, ist ein inspirierender Prozess. Er ist jedoch auch geprägt von unterschiedlichen Zielvorstellungen, die es miteinander auszuhandeln gilt. Es müssen Verhandlungen und Verständigungen zwischen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft stattfinden.

 

Hier kommen die UNESCO und die UNESCO-Stätten ins Spiel. Die UNESCO steht für Völkerverständigung und das Verständnis eines gemeinsamen, weltumspannenden Erbes. Diese Werte können in den Aushandlungsprozessen als

Orientierungspunkt dienen.

 

Neben diesem moralischen Kompass liefert die UNESCO für weitere Aufgaben das Fundament: 3 Beispiele möchte ich nennen.

 

1) Die erste Aufgabe ist die Vermittlung und Partizipation.

Die Vorteile und Notwendigkeit einer Veränderung zu vermitteln – das möchten Sie durch die Förderung der UNESCO-Initiative „Bildung für nachhaltige Entwicklung für 2030“ schaffen. Mit Bildung erreichen Sie nicht nur die Gegenwart, sondern formen auch die Zukunft. Umso wichtiger ist es, die junge Generation frühzeitig zu adressieren, zu integrieren, zu überzeugen – gleichzeitig von ihnen zu lernen.

 

Mit der sogenannten Welterbekonvention von 1972 hat die UNESCO das Erbe der Menschheit und dessen Schutz adressiert. Es folgten weitere Programme, die dann den Blick auf dessen Vermittlung weiteten und für Ihr Projekt Leitlinien bieten. Denn, ja, das Erbe der Lausitz muss bewahrt werden. Aber es muss auch lebendig bleiben. Es muss vermittelt werden, sich an neue Bedarfe anpassen, neu interpretiert werden.

 

Vermittlung funktioniert aber nur zusammen mit Teilhabe! Hier haben Sie als UNESCO-Netzwerke einen besonderen Auftrag, denn Partizipation spielt in allen UNESCO-Programmen eine zentrale Rolle. Sie wollen diese Region für alle erlebbar und gestaltbar machen! Zugleich haben Sie mit der Anerkennung auch die große Chance, das positive Ansehen der UNESCO-Titel zu nutzen, um Menschen von Ihren Ideen zu überzeugen und zur Teilhabe zu motivieren.

 

2) Die zweite Aufgabe ist Nachhaltigkeit und die Verfolgung eines ganzheitlichen Ansatzes.

UNESCO-Stätten tragen für die Nachhaltigkeit eine besondere Verantwortung.

Sie sind prädestiniert dazu, als Labore der Nachhaltigkeitswende und als Modellregionen zu agieren.

 

Wenn wir die Welterbestätten, die UNESCO-Projektschulen, die Geoparks, die Lehrstühle, die Biosphärenreservate und das immaterielle Kulturerbe zusammenzählen, dann haben wir in Deutschland über 400 Knotenpunkte der Nachhaltigkeitswende im Sinne der UN-Agenda 2030. Auf der polnischen Seite gibt es ebenfalls zahlreiche Familienmitglieder!

Dass Sie sich hier nun die „UNESCO5“ nennen, ist ein wirklich genialer Einfall. Mitten in der Zivilgesellschaft agieren Sie als Brüder und Schwestern im Geiste. Sie signalisieren damit auch: Die UNESCO sitzt nicht nur in Paris. Ihre Ziele und Werte sind nicht ortsgebunden und es liegt an uns, sie zur Geltung zu bringen. Mein Kompliment, wie Ihnen das hier gelungen ist!

 

Als Vorreiter gehen Sie neue und innovative Wege. Sie gestalten die Transformation aktiv und kreativ mit. Gleichzeitig schaffen Sie es, in der Region, aber auch darüber hinaus zu wirken:

Als Leuchttürme unseres weltweiten Natur- und Kulturerbes haben sie Signalwirkung!

Und zwar nicht nur hier in der Region Lausitz! Nicht nur in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen – wie Herr Vogel und Herr Günther sicherlich bestätigen. Und auch nicht nur in Deutschland! Sondern sogar international! Dadurch kann Ihr Vorhaben durchaus zu einem Vorbild für andere Projekte im Bereich Erbe und Nachhaltigkeit werden und weitere Kooperationen anstoßen.

 

Sie möchten Ihr vielfältiges Erbe, welches bereits durch die Anerkennung der UNESCO eng miteinander verbunden ist, in ihrer Region nun noch stärker verknüpfen und auch ganzheitlich nutzen. Sie wollen damit die Zukunft in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit mitgestalten:

  • der ökologischen Dimension durch den Schutz von Naturstätten,

  • der wirtschaftlichen durch Impulse für nachhaltigen Tourismus und regionale Entwicklung,

  • und der sozialen durch Begegnung, Teilhabe und Vermittlung.

3) Die dritte Aufgabe lautet: Internationale Zusammenarbeit

Ein Blick in die europäische Geschichte lehrt uns, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein solches Projekt grenzüberschreitend realisiert wird. Gleichzeitig zeigt sie, wie wichtig eben diese internationale Kooperation ist. Nicht zuletzt wird die deutsch-polnische Freundschaft selbst dadurch bereichert. Unter dem Dach der UNESCO verstehen wir uns fast ohne Übersetzung, denn wir teilen gemeinsame Werte. Wir teilen gemeinsame Ziele.

Der interregionale und sogar internationale Austausch im Rahmen Ihres Projektes birgt dabei die große Chance, Gemeinsamkeiten bei Herausforderungen und Lösungsstrategien zu erkennen. Denn das ist einer der wesentlichen Vorteile des UNESCO-Erbes: Alle Facetten sind Teile eines Netzwerks, das sich um die ganze Welt spannt und dazu einlädt, voneinander zu lernen. Und damit tragen Sie zur Völkerverständigung bei, zu Toleranz und gegenseitigem Verständnis - zu nichts Geringerem als der Kernaufgabe der UNESCO: dem Frieden.

 

 

Nur mit diesen ganzheitlichen, partizipativen Ansätzen und internationalen Kooperationen können wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen. Die Umsetzung der Agenda 2030 sind Teil Ihres Auftrags, den Sie mit der UNESCO-Auszeichnung erhielten.

 

Als Deutsche UNESCO-Kommission haben auch wir uns den SDGs verpflichtet.

In den letzten Jahren haben wir zahlreiche Projekte initiiert und unterstützt, um Aufmerksamkeit für die Notwendigkeit der nachhaltigen Entwicklung zu generieren und die Ziele der UNESCO in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Ebenfalls gibt es bereits Beispiele für gelungene, netzwerkübergreifende Kooperationen:

  1. Zum Beispiel der Aufbau von Klimastationen an UNESCO-Projektschulen in Kooperation mit dem UNESCO-Lehrstuhl in Heidelberg.

  2. Im letzten September haben wir außerdem das Projekt „Young Climate Action for World Heritage“ gestartet: Schüler und Schülerinnen an UNESCO-Projektschulen lernen an Welterbestätten die Auswirkungen des Klimawandels kennen. Zudem entwickeln sie praxisorientierte Ideen, wie dessen Effekte abgemildert werden können.

  3. Wir fördern auch die Schaffung von Aufmerksamkeit für Initiativen in der breiten Öffentlichkeit und im politischen Raum. Ich erinnere mich zum Beispiel gerne an die Abschlussveranstaltung der Imagekampagne der UNESCO-Biosphärenreservate im letzten November im Deutschen Bundestag zurück. Veranstaltungen wie diese haben bereits gezeigt, wie viel Strahlkraft und Potenzial in der Zusammenarbeit unter dem Dach der UNESCO steckt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren.

Klar ist, dass die Herausforderungen, der die Lausitz gegenübersteht, einer gemeinsamen Kraftanstrengung benötigen.

 

Die gemeinsame Kraftanstrengung endet nicht an den Grenzen eines Biosphärenreservats oder einer Welterbestätte. Sie benötigt viele weitere Partnerinnen und Partner – aus der Politik, aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft, aus der Zivilgesellschaft.

Und wenn ich mich hier im Raum umsehe, dann bin ich davon überzeugt, dass Sie die notwendige, breite Unterstützung haben – auf uns als Deutsche UNESCO-Kommission können Sie dabei zählen!

 

Abschließend bedanke ich mich bei Ihnen allen, die diese Kooperation vorantreiben – für Ihren Mut, für Ihre Zuversicht, für Ihren Gestaltungswillen und für Ihre Weitsicht!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei dem Projekt!

 

Herzlichen Dank!

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