Reden

Statement zur Welterbekonvention

Als Erstes möchte ich auf 50 Jahre Welterbekonvention eingehen, kurz Bilanz ziehen und Fragen zur zukünftigen Entwicklung aufgreifen.

Vor gut 50 Jahren, im November 1972,

wurde die Welterbekonvention verabschiedet.

194 Staaten - die ganze Welt hat unterzeichnet!

Damit haben sich die Vertragsstaaten – also auch die Bundesrepublik Deutschland – verpflichtet,

für den Schutz und Erhalt der für die gesamte Menschheit bedeutenden Stätten Sorge zu tragen.

Seitdem hat sich die Welterbekonvention zu einem der erfolgreichsten internationalen Schutzinstrumente für unser gemeinsames Kultur- und Naturerbe weltweit entwickelt:

  • Sie verbindet alle Kontinente, alle Kulturen.

  • Sie eint uns in der Überzeugung, dass wir ein gemeinsames Erbe besitzen.

  • Und sie verpflichtet dazu, dieses vielfältige Erbe zu schützen und zu erhalten.

 

Die Welterbekonvention hatte bereits 1972 sehr hellsichtig die Bewahrung von Kultur- und Naturerbe in einen engen Zusammenhang gebracht und vor den Folgen menschlicher Eingriffe in die Umwelt gewarnt.

  • Heute verstehen wir Welterbestätten als Labore der Nachhaltigkeitswende.

(Wollen wir sie bewahren, müssen wir in Zukunft noch mehr dafür tun, dass unsere Stätten ökologisch verträglich und sozial gerecht arbeiten und dabei zugleich wirtschaftlich auf sicheren Füßen stehen. Immer wichtiger wird es deshalb, auch Bildung für nachhaltige Entwicklung genau hier zu verankern.)

  • Welterbestätten sind Lernorte, die uns von unserer Vergangenheit erzählen, aber auch für die Zukunft lernen lassen.

(Unser Kultur- und Naturerbe ist ein Wissensspeicher, ein Motor für Entwicklung, Wissenschaft und Forschung. Wir wollen Erkenntnisse nutzen, die an Welterbestätten gewonnen werden, um Zusammenhänge zwischen vergangenen und aktuellen Entwicklungen zu verstehen und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten vor diesem Hintergrund zu durchdenken.)

  • Welterbe zeigt uns auf, dass wir Teil einer globalen Gesellschaft mit einer gemeinsamen Geschichte sind (und dass wir zusammen auf einem Planeten leben, dessen Erbe es zu erhalten und zu pflegen gilt).

 

Welchen großen Herausforderungen müssen wir uns zukünftig stellen?

Mit dieser Frage haben wir uns im Jubiläumsjahr im Rahmen einer Veranstaltung an der Universität Heidelberg mit Expertinnen und Experten von Welterbestätten und aus der Wissenschaft befasst.

  • Erstens muss das Ungleichgewicht in der Welterbeliste ausgeglichen werden:

Das betrifft das Verhältnis von Kulturerbe und Naturerbe und die weltweite Verteilung der Welterbestätten.

(Afrika 98 WE, Europa ca. 500 WE;

bedeutsam: neuer Direktor WE-Zentrum Lazare Eloundou Assomo aus Afrika)

  • Zweitens, muss die Vermittlung und Zugänglichkeit von Welterbe für alle gesichert sein.

(Info-Zentren, digitale Angebote, neue Zielgruppen)

  • Drittens muss sich unsere Herangehensweise beim Erhalt von Welterbe wandeln:

Wir müssen ganzheitlich und nachhaltig Handeln!

(Denn nicht nur Krisen und Kriege bedrohen das Welterbe. Auch der Klimawandel ist ein großes Risiko für Welterbestätten. Er wirkt sich gravierend und teils unwiderruflich auf diese Stätten aus.)

(Bis 2100 verschwindet die Hälfte aller WE-Gletscher und WE-Korallenriffe; Agenda 2030 = Fahrplan für die nachhaltige Entwicklung von WEs)

 

Auch die UNESCO-Konferenz in Delphi zu 50 Jahre Welterbekonvention spiegelt genau diese Herausforderungen wider.

 

  1. Besondere Projekte und Aktuelles

 

Ganz konkret arbeiten wir in der Deutschen UNESCO-Kommission gemeinsam mit unseren Netzwerken daran,

diese Prioritäten umzusetzen:

 

  1. Wir stärken unsere internationalen Verbindungen –

auch in Hinblick auf den Globalen Süden.

Mit dem Projekt #SOSAfricanHeritage (Laufzeit 2020 und 2021) unterstützten wir während der Pandemie afrikanische Welterbestätten,

um deren Erhalt und damit ihre Bedeutung in der Gesellschaft zu sichern.

(2 Beispiele geförderter Projekte: Gemeinschaftlich konzipierter Lehrpfad für den Naturschutz in Südafrika im UNESCO-Biosphärenreservat Magaliesberg; Fortbildungen der Mitarbeiter/-innen aus lokalen Verwaltungen für einen besseren Schutz der Stätten in Burkina Faso beim UNESCO-Welterbe Historische Stätten der Eisenverhüttung)

 

Genau dieser Gedanke,

internationale Zusammenarbeit zu stärken und Welterbe im Ausland zu schützen,

hat auch zur Gründung „Deutsche Stiftung Welterbe“ der Welterbestätten Stralsund und Wismar geführt.

Mir ist es ein großes Anliegen, dass sich weitere, deutsche Welterbestätten dieser Stiftung anschließen.

(2 Beispiele geförderter Projekte: Restaurierung der Merklin-Schütze-Orgel in Havanna (Kuba) und Restaurierung frühbudhistischer Wandmalereien (Nepal))

(Welterbestätte „Das Augsburger Wassermanagement-System“ unterhält ebenfalls Kooperation mit dem Globalen Süden für sauberes Wasser)

 

  1. Wir setzen uns für die Vermittlung von Welterbe unter Einbindung der Zivilgesellschaft ein.

Dabei liegt der Fokus auf der jungen Generation.

Es gilt, Impulse der jungen Generation in unserer Arbeit aufzunehmen.

Es gilt, junge Menschen für unser Erbe zu begeistern.

Ich zitiere: „Nur was man kennt, kann man schützen“.

Dies ist eine wesentliche Erkenntnis,

die wir in unserem internationalen Klimaprojekt „Young Climate Action for World Heritage“ gewinnen konnten.

Es ermöglicht Schüler/-innen von UNESCO-Projektschulen an Welterbestätten die Auswirkungen des Klimawandels zu

erkunden und praktische Ideen für dessen Eindämmungen zu entwickeln.

(der Podcast „Watt’n dat?“ ist ein innovatives und modernes Ergebnis des Workshops an der teilnehmenden Welterbestätte Wattenmeer mit UNESCO-Projektschulen)

(beteiligte WE-Stätten: Wattenmeer, Archäologischer Grenzkomplex Haithabu und Danewerk, Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft, Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin, Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří, Siedlungen der Brüdergemeine, Bestandteil Herrnhut (Welterbe-Kandidat))

 

  1. In Zusammenarbeit mit den Welterebestätten wenden wir uns immer wieder der Nachhaltigkeit zu:

  • Am 04.06.2023 wird der UNESCO-Welterbetag in Weimar stattfinden.

Unter dem Thema „Unsere Welt. Unser Erbe. Unsere Verantwortung“ werden einige Mitmachaktionen und Diskussionen die „Nachhaltigkeit“ in den Fokus rücken.

 

  • Ende 2021 haben wir im Rahmen des internationalen Kongresses „Industrielles Welterbe. Chance und Verantwortung“ mit der Stiftung Zeche Zollverein

über die nachhaltige Weiterentwicklung des Industrieerbes diskutiert.

(In Ihrem Grußwort in der begleitenden Publikation, hatten Sie, liebe Frau Müntefering, treffenderweise das Wort „Zukunftschancen“ genutzt, um den Blick für unser Erbe nach vorne zu richten. Zitat von Müntefering: „Das alles zeigt: Bei unserem Industrieerbe geht es gerade nicht um eine Musealisierung. Ganz im Gegenteil: Es geht um nachhaltige Entwicklung und um Zukunftschancen.“)

  • Zurzeit treibt uns der Gedanke von „Klimapartnerschaften“ um.

Die Partnerschaften sollen unsere Netzwerke mit Partnern im Ausland verbinden, um gemeinsame Lösungen für die Eindämmung des Klimawandels zu entwickeln.

Wir haben diese Idee auch schon an das AA herangetragen.

Für diesen Gedanken möchten wir auch bei Ihnen werben.

 

  1. Die Rolle der UNESCO in der Zeitenwende

 

Das Jubiläumsjahr der Welterbekonvention wurde vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine überschattet.

Die humanitäre Katastrophe, die Zerstörung von Bildungsinfrastruktur und Kulturgut –

das hat einen Schock ausgelöst und eine Zeitenwende eingeleitet.

 

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“,

so heißt es in der Verfassung der UNESCO von 1945.

Alle UNESCO-Programme sind auf das engste mit dieser Botschaft des Friedens verbunden.

 

Das spiegelt sich ganz besonders in der Welterbekonvention wieder: Das Bewahren unseres gemeinsamen Kultur- und Naturerbes hat kein geringeres Ziel,

als durch Zusammenarbeit zwischen den Völkern zur Wahrung von Frieden und Sicherheit beizutragen. Welterbestätten sind Orte der Begegnung, des Austausches, der gegenseitigen Toleranz und Wertschätzung und tragen so zur Völkerverständigung bei.

 

Der russische Angriffskrieg stellt auch eine Bedrohung der 7 Welterbestätten in der Ukraine dar.

(Sophienkathedrale und Höhlenkloster Lawra Petschersk in Kiew, Historisches Zentrum von Lwiw (Lemberg), Struve-Bogen, Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas, Residenz der orthodoxen Metropoliten der Bukowina und Dalmatiens, Antike Stadt in der taurischen Chersones und ihre Chora, Holzkirchen der Karpatenregion in Polen und der Ukraine)

Hier ist die UNESCO in hohem Maße gefordert:

Die UNESCO beobachtet und analysiert die Beschädigung von Kulturgut und Welterbestätten nicht nur –

sondern sie markiert denkmalgeschützte Gebäude und solche Gebäude, in denen sich Kulturgut befindet,

mit dem „blue shield“ der Haager Konvention.

Darüber hinaus unterstützt sie dessen Evakuierung.

 

Wie ich Ihnen bereits berichtet habe,

hat sich die Deutsche UNESCO-Kommission sofort nach Kriegsbeginn im Schulterschluss mit anderen europäischen Nationalkommissionen gegen den Krieg positioniert

und Solidarität für die Ukraine gezeigt:

  • Wir engagieren uns im von der Bundesregierung initiierten Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine;

  • Wir haben mit einem Patenschaftsprogramm von unserem Freiwilligendienst kulturweit ukrainische Schüler/-innen digital unterstützt;

  • Und heute freue ich mich Ihnen mitteilen zu können, dass wir in diesem Jahr dank der Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Hertie-Stiftung das „Recreation-Projekt“ ausweiten können:

15 Gruppen von ukrainischen Schülern/-innen können in jeweils 3 Erholungswochen in Deutschland Erfahrungen in Gastfamilien und in UNESCO-Projektschulen sammeln.

 

All‘ diese Erfahrungen und Initiativen haben uns darin bestärkt, als unser Jahresthema für 2023 „Grundlagen für Frieden und Freiheit stärken“ festzulegen und unser Wirken danach auszurichten.

 

  1. Eine Rückkehr der USA in die UNESCO?

 

Inwieweit Hoffnung auf den Wiedereintritt der USA in die UNESCO besteht, dazu wird Frau Hansell aus dem Auswärtigen Amt anschließend berichten.

 

Nach oben