Reden

Grußwort bei der Internationalen Konferenz „Industrielles Welterbe. Chance und Verantwortung“

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Müntefering,
sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach,
sehr geehrte Frau Hosagrahar,
sehr geehrter Herr Professor Noll,
sehr geehrter Herr Professor Grütter,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute hier in Essen und auch digital im
Namen der Deutschen UNESCO-Kommission zu dieser besonderen
Tagung begrüßen zu dürfen. Der Rahmen für die vor uns liegenden
zwei Konferenztage könnte kaum ein besserer sein.

Wir befinden uns inmitten eines der Herzstücke der Industriekultur,
nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Seit 20 Jahren gehört der
„Industriekomplex Zeche Zollverein“ als UNESCO-Welterbe zum
weltweit einzigartigen kulturellen Erbe der Menschheit.
I. UNESCO-Welterbe, Bedeutung und Auftrag der DUK
Mit der Unterzeichnung der Welterbekonvention von 1972 haben sich
die Vertragsstaaten – so auch die Bundesrepublik Deutschland –
verpflichtet, für den Schutz, Erhalt sowie die Vermittlung der für die
gesamte Menschheit bedeutenden Stätten Sorge zu tragen.

Die Deutsche UNESCO-Kommission wirkt als UNESCO-
Nationalkommission und Mittlerorganisation zwischen Politik,
Zivilgesellschaft und allen an UNESCO-Welterbe-Prozessen
Beteiligten maßgeblich an der Umsetzung der Welterbekonvention in
Deutschland mit. Wir freuen uns, als Mit-Organisatorin dieser
Konferenz Impulse für die Entwicklung von industriellen
Welterbestätten zu geben.
II. „Chance und Verantwortung“
„Chance und Verantwortung“ ist der Untertitel unserer Tagung. Damit
befassen wir uns in den kommenden beiden Tagen mit zwei ganz
zentralen Dimensionen von Welterbestätten.

Mit Blick auf industrielle Welterbestätten stellen sich insbesondere
diese Fragen:
- Wie können wir industrielle Welterbstätten im urbanen und im
ländlichen Umfeld nachhaltig schützen und weiterentwickeln?
- Welche neuen Nutzungskonzepte gibt es, gerade mit Blick auf
regionalen Strukturwandel und gesellschaftliche Veränderungen?
- Wie etablieren wir einen nachhaltigen Tourismus?
- Welche Rolle spielen Digitalisierung und Vernetzung?
Wir haben uns viel vorgenommen – und ich freue mich darauf, all
diese Fragen mit Ihnen zu diskutieren.

III. Industriekultur und Wandel im Ruhrgebiet
Besonders freut mich, dass wir uns überregional austauschen und die
Chance haben Gemeinsamkeiten bei Herausforderungen und
Lösungsstrategien zu erkennen. Denn das ist einer der wesentlichen
Vorteile von UNESCO-Welterbestätten: Sie sind Teil eines Netzwerks,
das sich um die ganze Welt spannt und dazu einlädt, voneinander zu
lernen. In Deutschland finden sich mehrere weltweit herausragende
Beispiele der Industriekultur. Dazu gehört das Bergwerk
Rammelsberg, die Speicherstadt in Hamburg, das Augsburger
Wassermanagement-System und die Montanregion Erzgebirge/
Krušnohoří.

Diese Liste wird erweitert durch internationale Welterbestätten wie den
sogenannten „Großen Kupferberg“ in Schweden oder die Historische
Altstadt der Bergbaustadt Goiàs in Brasilien.
An all diesen Orten verkörpert Welterbe nicht nur einzigartige
Industriekultur, sondern auch kontinuierlichen Wandel.
Hier im Ruhrgebiet haben Bergbau und Stahlproduktion lange Zeit
eine ganze Region geprägt. Ich glaube, man kann sagen, das
Ruhrgebiet ist Industriekultur pur. Die Menschen identifizieren sich mit
ihrer regionalen Geschichte. Sie sind zu Recht stolz darauf, dass der
Industriekomplexes Zeche Zollverein als einzigartiges Denkmal der
Industriekultur in die ganze Welt strahlt.

Doch die Industriekultur und das UNESCO-Welterbe strahlen nicht nur
nach außen. Sie verbinden auch die Menschen vor Ort, insbesondere
in Zeiten des Wandels, wie sie das Ruhrgebiet seit dem Niedergang
von Kohle und Stahl erlebt hat.
Als vor einigen Jahrzehnten die Schlote des Ruhrgebiets nach und
nach aufhörten zu qualmen, als sich damit die wirtschaftliche
Grundlage für das Leben so vieler Menschen dieser Region förmlich in
Luft auflöste, da machte sich große Sorge breit.
Viele fremdelten anfangs mit dem Begriff des Strukturwandels. Tief ist
im Ruhrgebiet die Verwurzelung mit Kohle und Stahl, mit Hochöfen
und Gasometer. Doch schon früh erkannten die Menschen, dass
Wandel auch Chancen bietet.

Eine der tragenden Säulen des – ich denke, man kann heute sagen –
gelungenen Strukturwandels dieser Region ist die Industriekultur. Sie
stiftet Identität, sie gibt der Transformation einer ganzen Region in
ökonomischer, gesellschaftlicher, kultureller Hinsicht einen festen
Boden und ein Gesicht. Wenn ich vor dem Wahrzeichen der Zeche
stehe, diesen monumentalen Förderturm vor mir sehe, dann spüre ich
den besonderen Geist, den dieser Ort ausstrahlt. Dies ist nicht allein
ein herausragendes Monument der Industriekultur, dieser Ort steht
auch stellvertretend für das Bewusstsein einer ganzen Region. Ein
Bewusstsein, das für beständigen Wandel, für die aktive Gestaltung
der Zukunft, für Chance und Verantwortung steht.

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