Grußwort zum Gedenken an Sophie Scholl
Sie wäre heute 100 Jahre alt geworden: Sophie Scholl, Studentin an der Münchener
Universität und Mitglied der Weißen Rose.
Die Weiße Rose ist heute als wichtigste Widerstandsgruppe gegen das Hitler-Re-
gime weit über Deutschland hinaus bekannt. Insbesondere Sophie Scholl wurde zur
Hauptfigur in Filmen, Romanen und Theaterstücken. Die junge Frau steht für Zivil-
courage, Mut und den Kampf gegen Ungerechtigkeit und ist zu einem Vorbild, ganz
besonders für junge Menschen, geworden: Etwa 200 Schulen in Deutschland tragen
den Namen der Geschwister Scholl.
Die UNESCO ehrt jedes Jahr Menschen, die in besonderer Weise für die Ziele der
UNESCO eingestanden sind. Anlässlich ihres 100. Geburtstags wird dieses Jahr Sophie
Scholl geehrt, als junge Frau, die für das Recht auf freie Meinungsäußerung, für
grundlegende Menschenrechte und demokratische Werte gekämpft und dafür mit ih-
rem Leben bezahlt hat. Gerade heute, in einer Zeit, in der unsere Gesellschaft mit
neuen Formen von Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt, Radikalisierung und Extre-
mismus konfrontiert ist, ist die Erinnerung an Sophie Scholl ganz besonders wichtig.
Aufgewachsen in einem liberalen bürgerlichen Elternhaus, fühlte sich Sophie Scholl
wie viele andere Jugendliche auch zunächst angezogen von dem Gemeinschaftside-
al, das die Nationalsozialisten propagierten und engagierte sich im Bund Deutscher
Mädel. Doch schon bald beginnt Sophie Scholl zu zweifeln. Die Propaganda der Nazis
widerspricht ihren Idealen. Zu Beginn des Krieges ändert sich ihre Einstellung zum
Nationalsozialismus grundlegend. Von zunächst passivem Widerstand, entscheidet sie
sich, der Widerstandsgruppe Weiße Rose beizutreten und selbst aktiv zu werden.
Eine wichtige Rolle spielte dabei ihr tiefer christlicher Glaube, durch den sie ein sehr
klares Bewusstsein für Recht und Unrecht entwickelte. Am Tag ihrer Hinrichtung
schrieb Sophie Scholl: "So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an
unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln
und wachzurütteln". Lesen wir diese Worte, so begreifen wir, dass das Verteilen der
Flugblätter, das Sophie Scholl kurz darauf mit dem Leben bezahlen würde, Ausdruck
ihres Gewissens war. Durch die Schriften wollte sie ihre Mitmenschen aufklären und
wachrütteln – geleitet von der tiefen Überzeugung, nicht länger schweigen zu können.
Voller Bewunderung sehe ich heute, wie überzeugend ihr das gelungen ist! Bis heu-
te rüttelt sie uns wach und der Mut, mit dem sich Sophie Scholl für humanistische
Ideale eingesetzt hat, ist uns bis heute Auftrag und Vorbild zugleich – längst nicht
nur in der Politik auch im Alltag.
Weltweit erleben wir derzeit, dass Demokratie, Freiheit und Menschenrechte keine
Selbstverständlichkeit sind. Es liegt an jeder und jedem Einzelnen, immer wieder da-
für einzutreten und zu kämpfen. Mit ihrer beispielhaften Zivilcourage ermutigt Sophie
Scholl auch heute gerade junge Menschen, sich einzumischen und Verantwortung da-
für zu tragen, dass unsere Demokratie nie wieder gefährdet ist. Sie mahnt uns, auf
unsere Mitmenschen zu achten, niemanden ausgrenzen und allen Menschen gleich-
berechtigte Teilhabe an Bildung und Kultur zu ermöglichen. Ich wünsche mir, dass
uns die Erinnerung an Sophie Scholl bei allem, was wir tun, begleitet und uns immer
wieder inspiriert, aktiv für Menschlichkeit und demokratische Werte einzutreten.