Prof. Dr. Maria Böhmer
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04.04.2017, 09:48 Uhr
G7-Kulturministerkonferenz in Florenz
Lesen Sie hier die Rede von Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer MdB anlässlich der G7-Kulturministerkonferenz in Florenz. 
Die Kulturminister der G7-Staaten


 - Es gilt das gesprochene Wort -




Eingangserklärung
G7-Kulturministerkonferenz am 30. März 2017 im Palazzo Pitti in Florenz

 Zuerst will ich der italienischen Regierung, und vor allem Ihnen, Herr Minister Franceschini, für die Initiative herzlich danken, die Kulturminister der G7-Staaten erstmalig zusammenzubringen und nach Florenz einzuladen.


In Zeiten, in denen Krisen, bewaffnete Konflikte und Terrorismus zunehmen, ist die Weltgemeinschaft mehr denn je gefordert. Die Gruppe der Sieben ist deshalb gerade in dieser Phase von besonderer Bedeutung: Wir teilen die gleichen Werte und verfolgen gemeinsame Ziele. In einer globalisierten Welt können wir nur partnerschaftlich und im Dialog miteinander die Zukunft gestalten.

Die G7 zeichnet aus, dass ihre Strahlkraft, aber auch ihre Gestaltungskraft, beträchtlich ist. Lassen Sie uns gemeinsam diese Kräfte heute und morgen für unseren Austausch nutzen und uns zu guten Ergebnissen kommen!

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist tragende Säule der deutschen Außenpolitik. Kernanliegen ist, Zugang zu Kultur und Bildung weltweit zu verbessern und vorpolitische Freiräume für Dialog, für Kreativität und Verständigung zu schaffen. Gerade in krisenhaften Zeiten erweitert zivilgesellschaftliche Öffnung ansonsten verengte Handlungsspielräume.

Vielfalt bereichert uns. Um diese Vielfalt gesellschaftlich weiter zu entwickeln, brauchen wir Menschen, die sie befördern. Wir brauchen darüber hinaus Möglichkeiten und Räume für das gegenseitige Kennenlernen und den Dialog.

Als drittgrößtes Einwanderungsland haben wir uns in Deutschland in den vergangenen Jahren intensiv der Herausforderung gestellt, die Vielfalt unserer eigenen Gesellschaft zu fördern – und dies mit Erfolg.

In der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geht es sowohl darum, die Vielfalt im Innern nach außen zu tragen, als auch die Vielfalt von außen für die Prozesse im Innern zu nutzen. Interkultureller Dialog ist mehrdimensional: Er wirkt nach innen wie nach außen; er ist innergesellschaftlich ebenso relevant wie zwischen den Gesellschaften.

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung.
Die vielfältigen Maßnahmen der Bundesregierung zielen u.a. darauf ab, Menschen weltweit neue berufliche Perspektiven und Bildungschancen zu eröffnen, lebenslanges Lernen (vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung) zu ermöglichen, globale Partnerschaften zu fördern und den Geist der internationalen Zusammenarbeit zu stärken.

Frieden erreichen wir am besten, wenn die Menschen miteinander reden und arbeiten, wenn sie gemeinsam Neues schaffen. Es ist zentral, sich mit den Vorstellungen der Partner auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und so zu einem gemeinsamen Ablauf und Ergebnis zu kommen.

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik muss heute einen bottom up-Ansatz verfolgen, der die Zivilgesellschaften miteinander kommunizieren und interagieren lässt. Wir brauchen mehr Koproduktion; klassische public diplomacy reicht nicht. Diesem Paradigmenwechsel müssen wir zum Durchbruch verhelfen – sowohl in unserer nationalstaatlichen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als auch auf europäischer Ebene, wo wir derzeit eine Strategie für internationale Kulturbeziehungen der EU beraten. Dazu gehört ebenfalls die Gruppe der Sieben mit ihrer weltweiten Bedeutung. Auch sie muss sich künftig stärker mit den Chancen, die Kulturpolitik zur Verständigung zwischen Gesellschaften bietet, auseinandersetzen.

In unseren Anstrengungen müssen wir Brücken zwischen den Generationen bauen, vor allem wenn es um Kriegs- und Krisengebiete geht: Die junge Generation wird dort vor der Herausforderung stehen, die heutigen Initiativen zum Wiederaufbau fortzuführen und zu vollenden. Sie ist es, die die kulturelle Identität weiterträgt. Trotz oder gerade wegen der zum Teil traumatischen Erfahrungen dieser Generation sind Foren junger Experten so wichtig.

Erhalt und Vermittlung kulturellen Erbes ist ein wesentlicher Bestandteil des interkulturellen Dialogs. Es ist Grundlage für das Verständnis unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Terror und Krieg, Raubgrabungen und illegalen Handel bedrohen dieses Fundament.

Die Vernichtung und Verschleppung, ja der Handel von Kulturgütern, ist zum Markenzeichen islamistischer Fanatiker geworden. Mit Entsetzen haben wir die Kulturgutzerstörungen im Irak und Syrien beobachtet. Dort haben wir erlebt, dass nicht nur Menschen gezielt umgebracht werden, sondern auch ihre Wurzeln in der Kultur, ihre Identität zerstört werden soll - kurz: die kulturelle Vielfalt als Quelle des Menschseins.

Aber die internationale Gemeinschaft schaut dem nicht mehr tatenlos zu. Sie reagiert mit einer klaren Botschaft: Die gezielte Zerstörung von Kulturerbe ist ein Kriegsverbrechen. Das hat der Internationale Gerichtshof mit seinem Urteil im vergangenen Jahr eindrucksvoll bestätigt.

Ich will Ihnen persönlich danken, Herr Minister Franceschini, für Ihr Engagement, Ihre Initiativen und vor allem Ihre große Beharrlichkeit, diese Initiativen auch in die Praxis umzusetzen (u.a. Task Force, VN-SR-Resolution, G7-Kulturministertreffen). Mit der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen haben Sie gemeinsam mit Frankreich die Verbindung zwischen Kulturgüterschutz und Sicherheit hergestellt. Damit wurde unterstrichen, was uns alle seit geraumer Zeit bewegt und wozu Deutschland und andere Staaten viele gute Initiativen und Projekte realisiert haben.

Ob UNESCO, VN, G7, Europarat, OSZE oder EU: Wir müssen die bereits vorhandenen Systeme des nationalen und internationalen Kulturgutschutzes effektiver machen, harmonisieren und die Projekte zum Erhalt, zum Schutz und zum Wiederaufbau des Kulturerbes besser koordinieren.

In Deutschland haben wir in den letzten Jahren einen sehr steinigen, aber erfolgreichen Weg der Neubestimmung unserer Kulturgutschutzregeln beschritten. Mit dem neuen KGSG haben wir seit dem letzten Jahr ein effektives Instrument, den illegalen Handel mit Kulturgut zielgerichtet zu bekämpfen. Wer Antiken nach Deutschland einführt, braucht nun für jedes Stück eine gültige Ausfuhrerlaubnis des jeweiligen Herkunftslandes, die bei Einfuhr vorzulegen ist. Ist dort die Ausfuhr verboten, ist jetzt auch die Einfuhr verboten.

Auch die Anforderungen an Herkunftsnachweise und Sorgfaltspflichten für Händler wurden deutlich verschärft: Wenn Kulturgüter künftig in Deutschland gehandelt werden, muss ein Provenienznachweis erbracht werden. Werden sie nach Inkrafttreten des Gesetzes eingeführt, muss zudem eine Exportgenehmigung des Herkunftslandes vorliegen, wenn die Ausfuhr im Herkunftsland genehmigungspflichtig ist.

Um das Ausmaß des illegalen Handels besser erfassen zu können, hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Forschungsvorhaben „Illicid“ gestartet. Damit sollen effiziente Verfahren und Instrumente zur Erhebung, Dokumentation und Analyse von Informationen über den illegalen Handel mit Kulturgut entwickelt und erprobt werden.

In Deutschland besteht über die Parteigrenzen hinweg Konsens, dass wir die internationale Zusammenarbeit und den Schutz des Kulturerbes weiter ausbauen müssen. Der Deutsche Bundestag hat im Rahmen der 39. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Bonn, deren Vorsitz ich inne hatte, mit einer fraktionsübergreifenden Entschließung die Mittel für den Kulturerhalt und für Nothilfemaßnahmen verdoppelt und den Weg geebnet für eine effizientere Zusammenarbeit mit der UNESCO. Die Internationale Berliner Expertenkonferenz zum Erhalt des Kulturerbes in Syrien war ebenso Ergebnis dieses Prozesses wie die Unterstützung des UNESCO-Workshops in Beirut zum Wiederaufbau des Weltkulturerbes in Aleppo.

Deutschland engagiert sich substantiell für den Schutz des kulturellen Erbes weltweit. Jährlich fördern wir Projekte in Höhe von mehreren Millionen Euro. Wichtig ist dabei die unmittelbare Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort, die die Projekte selbst initiieren und gestalten. Bis heute sind das fast 3.000 Projekte in über 140 Ländern. Dazu zählen die Beiträge zur Rettung jahrhundertealter islamischer Handschriften aus Timbuktu oder nach Naturkatastrophen wie in Nepal der Wiederaufbau kulturellen Erbes.

Das „Archaeological Heritage Network“ wurde 2016 gegründet und umfasst unter Leitung des DAI insgesamt 18 Institutionen. Es bündelt in Deutschland vorhandene Expertise zum Kulturerhalt und setzt sie international ein.

Mit diesem Netzwerk können wir auf konkrete Anforderungen in Krisenregionen reagieren. Es ist zugleich ein Beitrag im Rahmen der von der UNESCO ins Leben gerufenen Globalen Koalition zum Schutz des Kulturerbes "Unite4Heritage".

Mit „Stunde Null“ unterstützen wir die Dokumentation des kulturellen Erbes in Syrien und bereiten den Wiederaufbau vor. Wir bilden dazu syrische Flüchtlinge, Fachleute und Studierende in den Bereichen Architektur, Archäologie, Denkmalpflege, Bauforschung und Stadtplanung sowie im Handwerk aus. Wir geben den Menschen damit eine Perspektive und die fachlichen Fähigkeiten, ihren zerstörten kulturellen Lebensraum wieder gestalten und aufbauen zu können.

Mit dem Projekt Multaka in Berlin bieten wir Geflüchteten aus Syrien und Irak eine Ausbildung zu Museum-Guides an. Diese Guides bieten anderen Flüchtlingen kostenlos in arabischer Sprache Führungen durch verschiedene Museen an, in denen sie das kulturelles Erbe ihrer Region und auch mehr über Deutschland erfahren können.

Deutschland begrüßt die Initiative des G7-Kulturministertreffens und verbindet damit große Hoffnungen: Wir benötigen einen kulturpolitischen Diskurs, um unsere eigenen und die Gesellschaften in Krisenregionen auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten und gemeinsam Instrumente und Methoden zu entwickeln, diese Herausforderungen zu meistern. Insbesondere im vorpolitischen, zivilgesellschaft-lichen Raum brauchen wir dazu Möglichkeiten für Dialog, Diskurs und gemeinsamer Kreativität.

Im Kreis der Kulturminister sollten wir auch beraten, wie Kultur und interkultureller Dialog zur besseren Integration von Flüchtlingen und Migranten beitragen können. Vielfalt ist eine Chance für unsere Gesellschaften. Dies gilt es nach außen zu tragen und Verständnis und Zusammenhalt fördern. Dies ist eine weltweite Heraus-forderung, die die internationale Agenda langfristig beschäftigen wird. Ich rege daher an, diese Frage in künftigen G7-Treffen zu thematisieren.

Die Initiativen zur Einbindung des Kulturgutschutzes im Bereich des Peace-keeping sollten nicht auf die VN begrenzt werden. Eine grundsätzliche Sensibilisierung aller Akteure im Bereich Krisenprävention, Krisenmanagement und Krisennachsorge für den Schutz von Kulturgütern ist erforderlich, beispielsweise durch: „Awareness raising“, Einbindung von Expertise in Planungsstrukturen, Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen, den Aufbau von Fähigkeiten.

Konkret bedarf es einer besser koordinierten Bekämpfung der Terrorismus-finanzierung, der Einbindung der jüngsten Kulturgutschutzleitlinien der UNESCO für militärisches Personal zur Umsetzung der Haager Konvention von 1954 als Rechtsreferenzen in Mandate bis hin zu, wo erforderlich, subsidiären Aufgaben in zivilen oder sogar militärischen Missionen. Die EU hat beste Voraussetzungen, einen bedarfsgerechten, kohärenten und umfassenden Ansatz umzusetzen. Projekte wie die „Task Force“ oder das „Archeological Heritage Network“ könnten beratend und unterstützend tätig werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Gruppe der Sieben trägt eine besondere Verantwortung weltweit. Es ist uns mit diesem Treffen und mit der „Gemeinsamen Erklärung von Florenz“ gelungen, die Agenda der G7 um die Kulturpolitik zu erweitern und zu bereichern. Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass Vielfalt eine Chance ist und neue Perspektiven und Wege aufzeigt. Ich hoffe, dass wir diesen heute eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen und das Treffen der G7-Kulturminister zu einem festen Bestandteil der G7-Agenda wird. Vielen Dank. 

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